Der zweite Teil unseres Ganges durch Worms konfrontierte uns zunächst – nicht immer leicht zu verkraften – mit der jüdischen Geschichte in Worms. Wir beginnen mit dem Jüdischen Friedhof, der den Namen „Heiliger Sand“ trägt. Das erklärt den zweiten Teil der Überschrift unserer diesjährigen Exkursion.
Der Heilige Sand, außerhalb der früheren Stadtmauer gelegen, direkt neben vielen Bahngleisen, ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof in Europa, er umfasst etwa 2000 Grabsteine, der älteste stammt aus dem Jahre 1058.
Im Rabbinertal finden sich unter anderem die Gräber von Rabbi Nathan ben Isaak († 1333), Rabbi Jakob ben Moses haLevi Molin, genannt MaHaRil, († 1427), Rabbi Meir ben Isaak († 1511) und Elia Loanz, genannt Baal-Schem († 1636). (Quelle: wikipedia).
Von der Website der Stadt Worms über den Heiligen Sand:
„Der „Heilige Sand“ geht mit seinem ältesten Grabstein in das Jahr 1058/59 zurück und dokumentiert damit die erste große Blütezeit der seit etwa dem Jahre 1000 nachweisbaren jüdischen Gemeinde in Worms. Dank der Synagogenstiftung von 1034 und als Wirkungsort zahlreicher Rabbiner seit dem 11. Jahrhundert bildete diese Gemeinde zusammen mit denen von Mainz und Speyer die der SCHUM-Städte. „Schum“ ist aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der Namen der drei Kommunen abgeleitet.“
Erstaunlicherweise überstand der Jüdische Friedhof die Nazizeit nahezu unversehrt. Auf der Website der Stadt Worms finden sich Erklärungsversuche und Vermutungen dazu.
In der ausführlichen und empfehlenswerten Führung kann man viel über die Geschichte der Juden in Worms und ihre Bestattungsriten erfahren.
Der anschließende Weg führt uns in die schmale Judengasse, in der die Juden früher eng an der Stadtmauer angesiedelt wurden.
Ganz in der Nähe befindet sich auch die von der Stadt Worms wieder errichtete Synagoge. Die Wormser Juden haben sich mit denen in Mainz zu einer Gemeinde zusammengeschlossen.
Ein kleines jüdisches Museum schließt sich direkt an.
Der anschließende Spaziergang führte uns zu weiteren hessischen Spuren in Worms, nämlich dem Ludwigsplatz mit dem Ludwigsdenkmal.
Der 1895 erbaute Obelisk ist dem Großherzog Ludwig IV von Hessen und bei Rhein gewidmet, der im Deutsch-Französischen Krieg als Kommandeur der hessischen Division bei Gravelotte, vor Metz und bei Orléans kämpfte. Der Obelisk erinnert an das Alice-Denkmal in Darmstadt – tatsächlich war Alice (Tochter der englischen Königin Victoria) die Ehefrau von Ludwig IV.
Der große freie Platz, unter dem sich eine Tiefgarage befindet, wird nach Osten begrenzt von der tausendjährigen Kirche St. Martin, einer romanischen dreischiffigen Basilika.
Durch eine wunderschöne Parkanlage am Lutherring gelangten wir zum großen Lutherdenkmal (1868 enthüllt), das über die Person Luthers hinaus als weltweit größtes Reformationsdenkmal gilt.
Nun aber im Eiltempo durch die letzten Stationen (wie immer lassen sich die Bilder durch Doppelklick vergrößern und dann mit Links- oder Rechtspfeil verschieben).
Hervorzuheben die sog. Heidentürme von Stift und Kloster St. Paulus, die aber keineswegs die einzigen in Rheinhessen sind, wie diese kundige Schrift verrät: Heidenturm.
Im Nibelungenmuseum, in dem es verständlicherweise wenig Greifbares (aber viele Abbildungen) gibt, erzählte uns Mario Adorf als Stimme des Schöpfers der Nibelungen-Sage über geführte anderthalb Stunden lang von den Anfängen bis zu den Anfeindungen dieser Geschichte, ohne den Ideen-Missbrauch und seine fürchterlichen Folgen während der Nazi-Zeit auszusparen.
Am Ende sind wir doch wieder am Dom gelandet. Zunächst – direkt an das Nibelungenlied im Museum anschließend – bei der Darstellung des „Streits der Königinnen“ (wer darf zuerst den Dom betreten, Brunhild oder Kriemhild?).
Danach – historisch eine Spur verbürgter – an dem Ort, an dem Martin Luther 1521 vor dem Reichstag zu Worms die Worte gesprochen haben soll: „Hier stehe ich – ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen.“
Außen-Ansichten des Domes beschließen diesen erlebnisreichen Tag in Worms (aber den Hochaltar von Johann Balthasar Neuman haben wir doch noch angeschaut) –
doch halt – kurz vor der Rückkehr über den Rhein ins heimatliche Hessen machte unser fahrender Führer bzw. führender Fahrer wunschgemäß noch einen abendlichen Abstecher auf die am Rhein gelegene Festwiese („Kisselswiese“).
Aber keineswegs, um uns dem höchst irdischen Treiben auf dem dort gerade tobenden legendären Backfisch-Fest zuzuführen – nein, ungerührt fuhr er uns vorbei an den wohlschmeckenden wie auch an den sonst leckeren Backfischen, um ein letztes Mal an das Nibelungenlied anzuknüpfen. Denn dort am Ufer des Rheins steht Hagen von Tronje und versenkt den geraubten Schatz Kriemhilds im Rhein:
Na denn, weg mit dem Plunder!
Und so beschlossen wir erleichtert diesen zweiten Tag unserer diesjährigen Exkursion – erleichtert, weil es uns nicht erging wie anderen Besuchern, über die berichtet wird:
“Die Fastenzeit wurde ignoriert, Prostitution gab es, es wurden Stechen gepflegt und manche tranken sich am starken Wein zu Tode.”
(Bericht über den Reichstag 1521 in Worms).
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