Wo gibt es denn sowas? China? Südkorea? Kasachstan?
Weit gefehlt: In den Ort mit diesem Stein sind wir gefahren, diesem Monument, das den geographischen Mittelpunkt seines Landes markiert, gelegen im Elysium. Geht’s noch idyllischer?
Aber wo waren wir?
Nein, da helfen weder Google noch Wikipedia, wenn man Elysium sucht. Denn damit ist hier weder gemeint
- Elysion (griechisch für Elysium), die „Insel der Seligen“ (Sie wissen schon, die „paradiesischen, rosengeschmückten Wiesen, auf denen ewiger Frühling herrscht, und wo ein Nektar-ähnlicher Trank aus einer Quelle der Lethe ewiges Vergessen aller irdischen Leiden ermöglicht“) noch
- die ausgedehnte Ebene auf dem Mars (Elysium-Region) oder
- der gleichnamige Bereich im Kasseler Bergpark Wilhelmshöhe, und leider auch nicht
- die Heimat der „Tochter aus Elysium“ aus Schillers Ode An die Freude –
auch wenn jede dieser Locations sicher mal einen Besuch wert wäre, die eine mehr, die andere weniger…
Was also sonst? Es war der Mittelpunkt des Landes, genauer: eines Bundeslandes, konkret: des Ländle, also Baden-Württembergs. Und dieser Mittelpunkt liegt in einem kleinen Wäldchen – Elysium genannt – der Stadt Tübingen. Allerdings waren es weder dieser Mittelpunktstein noch die bekannte Universität, die uns hierhin zogen, sondern – der Zeit „zwischen den Jahren“ angemessen – höchst familiäre Gründe aus dem Bereich komplexer Verwandt- und (Schwipp-) Schwägerschaften, die hier ganz sicher nicht ausgebreitet werden sollen.
Umso mehr dafür die Bilder, die während einer Tübinger Stadtführung entstanden. Sie wurde uns zu unserem großen Vergnügen zuteil durch den Schauspieler und Kabarettisten (und Angehörigen der Schwippschwägerschaft) Gotthard Sinn, der als Quer-Einsteiger hier möglicherweise eine erfolgreiche Neben-Karriere als Fremdenführer startete.
Aus seiner ersten Arbeitsprobe wurde jedenfalls sofort ein Meisterstück.
Einiges, worauf er uns aufmerksam machte, soll im Folgenden gezeigt werden.
Der Fruchtkasten wurde 1474 als Getreidespeicher und Weinkelter errichtet, 1909 zur Gewerbeschule umgebaut, ab 1956 Albert-Schweitzer-Realschule, seit 2003 Bürgeramt der Stadtverwaltung Tübingen.
Viel beeindruckendes Fachwerk, gut erhalten oder sorgfältig und aufwändig restauriert:
(mit Doppelklick vergrößern, dann mit Rechts-Pfeil blättern)
Ein großer Vorteil der sehenswerten Stadt ist sicherlich, dass sie im Krieg kaum zerstört worden ist. Dadurch sind wunderschöne Ensembles erhalten.
Von den drei Flüssen Tübingens (Neckar, Ammer und Steinlach) haben wir viele kleine Zu- und Abflüsse gesehen, naturbelassen oder kanalisiert.
Es soll nicht verschwiegen werden, was wir in diesem Zusammenhang gelernt haben: die höher gelegenen seitlichen Anbauten waren keineswegs Zuwegungen zum Nachbarhaus, sondern dienten dazu, den vorbeifließenden Fluss als Kloake zu benutzen, im freien Fall sozusagen…
Gelernt haben wir auch, dass dies an einen Davidstern erinnernde Symbol in dieser Gestaltung ein Wahrzeichen des edlen Brauerhandwerks ist.
Schließlich kamen wir auch an den Neckar samt Platanenallee und zu der Stelle, wo im Sommer das berühmte Stocherkahnrennen stattfindet:
Einzelheiten des Rundgangs
Noch ein Kleinod, das Nonnenhaus:
Ende des 15. Jahrhunderts erbaut, anfangs von Dominikanerinnen, später von Beginen bewohnt. Nach der Reformation Wohnhaus des Botanikers Leonhart Fuchs (1501-1566), der hier den ersten botanischen Garten anlegte. Nach ihm wurde später die Fuchsie benannt.
Nun geht’s aber im Eiltempo zu den letzten Bereichen, denn erst danach wartet der versprochen Glühwein (im Weinhaus Beck am Rathaus-Eck).
Stiftskirche St. Georg und Umgebung
Universität (und wieder lohnt sich das Vergrößern)
Die Burse (mittleres Bild) wurde Ende des 15. Jahrhunderts als „Lehranstalt für die Artistenfakultät“ der Universität errichtet, zugleich als Wohngebäude für die Studienanfänger. Aus Wikipedia:
„Die Artistenfakultät (facultas artium, artistarum) war der grundlegende Teil der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universität und diente der Vermittlung propädeutischen Wissens zur Vorbereitung auf das Studium an einer der drei „höheren Fakultäten“ (Theologie, Jurisprudenz, Medizin) sowie der Ausbildung zum Schullehrer. Ihr Name leitete sich von den an ihr gelehrten artes liberales her. Die Artistenfakultät wandelte sich vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zur Philosophischen Fakultät, aus der wiederum die heutigen geisteswissenschaftlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten hervorgingen. …
Die Studenten der Artistenfakultät mussten zum Studienbeginn lediglich über grundlegende Lateinkenntnisse verfügen, die sie üblicherweise an den städtischen Lateinschulen erwarben. Sie waren im Durchschnitt 16 Jahre alt. Die Lehrer der Artistenfakultät waren in der Regel zugleich Studenten an einer der oberen Fakultäten und gehörten nicht zum eigentlichen Lehrkörper der Universität, sondern zu den Scholaren.“
Ein solches Propädeutikum wünscht man sich als Lehrender gelegentlich auch heute wieder…
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Burse umgebaut zum ersten Tübinger Klinikum, in dem Friedrich Hölderlin 1806/07 als „wahnsinnig“ zwangsbehandelt wurde. Als „unheilbar“ entlassen, überlebte er Behandlung und Diagnose noch bis 1847! Er lebte in einer Turmstube oberhalb des Neckars, dem später so genannten „Hölderlinturm“.
Und schließlich noch das Schloss.
Nun sind wir viel gelaufen, rauf und runter, haben viel gehört und gesehen und gelernt – Gotthard sei Dank! Deshalb haben wir uns den Glühwein (oder andere Köstlichkeiten) bei Beck redlich verdient!
PS: Nicht allen Angeboten in Tübingen sind wir nähergetreten:
Aber ansonsten war es wunderschön in Tübingen!
(über die Abende gibt es garantiert keine Berichterstattung…)